Das Auto ist zu einem selbstverständlichen Bestandteil unserer Mobilität geworden. Seine Zukunft wird gerade heiß diskutiert. Ein günstiger Zeitpunkt für eine nüchterne Bestandsaufnahme seiner Nutzung.

Wie wir Mobilitätsdaten nutzen

Socialdata hat in über vierzig Jahren 1.300 Mobilitätserhebungen mit 2,4 Mio. Befragten durchgeführt. In der Regel waren die dabei erfassten Daten Bestandteil bestimmter Aufträge, für die sie auch ausgewertet wurden. Viele andere interessante Aspekte der Mobilität blieben aber auf der Strecke. Deshalb haben wir einen Bestand geschaffen, der die Alltagsmobilität in deutschen Städten beschreibt und weitere Auswertungen ermöglicht. Er umfasst ca. 35.000 Personen, bildet ganze Jahre ab und ist auf das Jahr 2015 fortgeschrieben. mobilogisch!-Leser kennen ihn schon (z. B. von Ausgabe 3/15).

Auf der Basis dieser Daten können wir ein differenziertes Bild der derzeitigen Autonutzung in deutschen Städten entwerfen. So differenziert hat man die Mobilität nicht immer betrachtet. Bis in die Achtzigerjahre war die am häufigsten gebrauchte Kennziffer für die Verkehrsmittelwahl der sog. „Modal Split“. Mit ihm wurde das Verhältnis „IV : ÖV“ abgebildet. Dieser Modal Split liegt in den Städten unserer Datenbasis bei 75 : 25. Schon bei der ersten kontinuierlichen Erhebung des Verkehrsverhaltens („KONTIV“) 1975 gab es erregte Debatten mit dem Bundesverkehrsministerium über die Verwendung dieser Kennziffer. Wir konnten damals nur mit großer Mühe erreichen, dass auch der Fuß- und Fahrradverkehr erhoben werden durfte (siehe mobilogisch! 4/14). Das Ergebnis war eine kleine Sensation, an die sich mancher „Veteran“ noch heute erinnert: 40 % der Alltagsmobilität wurde mit nichtmotorisierten Verkehrsmitteln durchgeführt (und bis dahin kaum erfasst oder beachtet).

Es gab aber noch eine zweite, nicht minder wichtige – bis heute aber weniger beachtete – Diskussion: Der motorisierte Individualverkehr (MIV) sollte nicht unterschieden werden nach Pkw-Fahrer (zusammen mit den Motorradfahrern = Kfz-Lenker) und Pkw-Mitfahrer. Das ist nicht empfehlenswert, denn Mitfahrer in Autos brauchen keinen Parkplatz und keinen Straßenraum. Diese Erkenntnis ist einfach, dennoch wird bis heute oft mit der Kennziffer für den MIV gearbeitet.

*) Solo = Fahrer alleine; **) Plus = mit Mitfahrer(n)

In unserem Bestand untergliedern sich die 45 % MIV in 33 % Kfz-Lenker und 12 % Mitfahrer (der Anteil der Fahrer motorisierter Zweiräder liegt unter 0,5 %). Diese Kennziffern werden seit der KONTIV 75 (mit einer Untergliederung des NMV in „zu Fuß“ und „Fahrrad“) ausgewiesen. Doch die Entwicklung ging weiter. Die Mitfahrer wurden danach unterschieden, ob sie aus dem eigenen Haushalt kommen (etwa fünf von sechs) und die Fahrer wurden – nach amerikanischem Vorbild („drive alone“) – unterschieden ob sie alleine im Auto sitzen („Solo“ = etwa drei Viertel) oder noch Mitfahrer („Plus“) haben. In deutschen Städten wird derzeit ein Viertel (24 %) der Alltagsmobilität mit Pkw-Solo durchgeführt.

Dabei verheißt Pkw-Fahrer mit Mitfahrer(n) mehr als man denkt. In fast vier von fünf Fällen ist das nämlich nur ein Mitfahrer. Der Anteil von Pkw-Fahrten mit mindesten drei Insassen liegt nur bei sechs Prozent.

Wie wir unsere Autos nutzen

Über ein Drittel der (privaten) Pkw in Deutschland bleiben jeden Tag zuhause; nur 64 % sind „unterwegs“. Dabei machen sie 1,39 Ausfahrten mit 3,25 Fahrten. Bezogen auf alle Pkw ergibt das nicht einmal eine Ausfahrt und gerade zwei Fahrten pro Tag. „Mobile“-Pkw sind eine knappe Stunde täglich unterwegs und legen 34 km zurück. Sie haben selten einen zweiten Fahrer (1,06 Fahrer pro Tag), werden über sechs Stunden an ihren Zielen geparkt und stehen fast 17 Stunden zuhause (alle Pkw über 19 Stunden).

Die Ausfahrten mit dem Pkw gestalten sich sehr überschaubar (Ausfahrt = Pkw-Nutzung von einem Standort bis dorthin zurück).

Drei Viertel (74 %) dieser Ausfahrten hat nur eine einzige Aktivität zum Anlass: Ein Viertel „Arbeit“, ein Fünftel „Freizeit“, ein Sechstel „Einkauf“.

Gut jede siebte Ausfahrt dient zwei, nur jede neunte drei und mehr Aktivitäten. Das gerne gebrauchte Argument, man müsse mit dem Pkw (z. B. zur Arbeit) fahren, weil man auf dem Weg noch so viel anderes erledige, lässt sich nicht belegen. Die häufigste Kombination ist Arbeit-Einkauf, kommt aber nur bei 2 % aller Pkw-Fahrten vor.

Wie wir unsere Autos auslasten

Der bereits gezeigte hohe Anteil an Pkw-Fahrten alleine (Solo = 73 %) schlägt sich natürlich auch im Besetzungsgrad des Pkw nieder. Er liegt für alle Pkw bei 1,3 und für Pkw, die nicht alleine gefahren werden, bei 2,3.

An den Wochenenden geht der Solo-Anteil zwar deutlich zurück, liegt aber selbst am (Familien-) Sonntag noch immer bei fast 50 % (Samstag 57 %, Werktage fast 80 %). Dass wir ein Volk von Solo-Autofahrern (geworden) sind, zeigt auch eine Aufgliederung nach Fahrtzweck.

Im Berufsverkehr haben 24 von 25 Pkw eine Solo-Besetzung, zwei Mitfahrer oder mehr kommen so gut wie nicht vor (0 = weniger als 0,5 %). Bei der Versorgung sind wir in drei von vier Fällen alleine im Auto und auch beim Freizeitverkehr liegt der Solo-Anteil noch über 50 % (und nur in jedem elften Fall gibt es mehr als einen Mitfahrer).

Wie wir unsere Autos einsetzen

Wer alleine mit dem Auto unterwegs ist, ist dies in der Regel den ganzen Tag. Über die Hälfte aller Ausfahrten haben eine Aktivität und zwei Fahrten Solo (55 %). Auch wer Mitfahrer in seinem Pkw mitnimmt bleibt in der Regel bei dieser Form der Autonutzung: Jede achte Ausfahrt mit dem Auto (13 %) besteht aus einer Hin- und Rückfahrt mit Mitfahrern.

Damit werden mit den fünf häufigsten (reinen) Solo- oder Plus-Kombinationen bereits 82 % aller Ausfahrten erfasst. Erst dann kommt die erste Verknüpfung einer Solo- und einer (Pkw)-Plus Fahrt (2 %), gefolgt von der ersten Plus-Solo (-Solo)-Kombination.

Wenn wir die Pkw-Solo-Fahrten nach Tageszeit aufgliedern, stellen wir zunächst fest, dass ihr größter Anteil (36 %) in die Zeit von 9.00 bis 15.00 Uhr und ihr zweitgrößter (30 %) in die Zeit von 15.00 bis 19.00 Uhr fällt. Von 5.00 bis 9.00 Uhr, also in der sog. „Morgenspitze“ sind nur ein gutes Fünftel der Pkw-Solo-Fahrer unterwegs.

Dabei ist der häufigste Zweck dieser Fahrten zwar „Arbeit“, umfasst aber nur 70 % der Pkw-Solo-Fahrten. In der Zeit meist großer Verkehrsengpässe sind ein Sechstel der alleine gefahrenen Pkw (17 %) unterwegs zum Einkaufen oder um einer Freizeitbeschäftigung nachzugehen.

Wie weit wir fahren

Ein in deutschen Städten zugelassener durchschnittlicher privater Pkw verzeichnet im Alltagsverkehr etwa siebenhundert Fahrten pro Jahr. Knapp zwei Drittel dieser Fahrten (452 = 64 %) überschreiten die jeweilige Stadtgrenze nicht („Binnenverkehr“). Dabei sind nur die Tage berücksichtigt, an denen die Stadtbewohner auch am Standort waren (man rechnet in der Regel mit 341 „Anwesenheitsta­gen“).

Von diesen 452 Fahrten führen 44 (= 10 %) nicht weiter als einen Kilometer (Durchschnitt 0,8 km). Weitere 132 Fahrten (29 %) enden nach ein bis drei Kilometern und 104 (23 %) nach drei bis fünf. Weiter als fünf Kilometer führen nur 172 Fahrten (38 %). Hieraus ergeben sich einige Faustregeln: Etwa eine Fahrt pro Woche unter einem, knapp vier Fahrten pro Woche bis drei und fast sechs Fahrten pro Woche bis fünf Kilometer. Wenn man annimmt, dass von allen Fahrten bis fünf Kilometer (280) jede dritte auf ein Verkehrsmittel des Umweltverbundes verlagert würde, wären das fast 100 Fahrten, oder etwa zwei Fahrten pro Woche (eine einfache Ausfahrt mit Hin- und Rückfahrt). Dies würde zu einer Reduzierung des Binnenverkehrs der Stadtbewohner um fast ein Viertel führen. Dafür notwendig wäre es, einmal in der Woche ein anderes Verkehrsmittel zu nutzen (1).

Jeweils ein Viertel dieser Pkw-Fahrten (im Binnenverkehr) dient den Zwecken „Arbeit“ und „Freizeit“, ein Drittel wird aus dem Anlass „Versorgung“ durchgeführt (Einkauf oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen, wie Post, Arzt, Behörde). Für diese Zwecke sind in der Tabelle die Absolutwerte der Pkw-Fahrten dargestellt (Summe 452). Darin werden sich viele Leser wiederfinden und ihre eigene Rechnung über einfach realisierbare Möglichkeiten zur Reduzierung des Autoverkehrs in der Stadt aufmachen können.

Eine kleine Hilfe hierbei könnte darin bestehen, dass wir uns die bei diesen Pkw-Fahrten erzielten Geschwindigkeiten vor Augen führen. Da wir in der Regel von Tür-zu-Tür unterwegs sind (also beispielsweise von der Wohnung in die Arbeit) und nicht von Parkplatz zu Parkplatz, sollten wir dabei die von Tür-zu-Tür erreichten Geschwindigkeiten ansehen. Und die sind sehr niedrig.

Jede siebte Pkw-Fahrt im Binnenverkehr unserer Städte erreicht maximal 10 km/h (von Tür-zu-Tür). Ein genauso großer Anteil ist schneller als 30 km/h. Dazwischen liegen fast drei Viertel im Bereich zwischen 10 und 30 km/h. Ein Unterschied zwischen Pkw-Solo und Pkw-Plus besteht nicht.

Was das Wetter mit uns macht

Es ist nicht ganz einfach, den Einfluss des Wetters auf die Alltagsmobilität zu bestimmen. Meist wird hierbei versucht, externe Wetterfaktoren (Temperatur, Niederschlag, Wind) zu messen und mit dem Verhalten in Zusammenhang zu bringen. Das verlangt ein aufwändiges und mühselig zu erhebendes Gerüst an Wetterdaten (2). Ein anderer – weitaus einfacherer – Weg liegt darin, die Angaben zur Nichtmobilität an einem Stichtag darauf zu prüfen, ob Wettereinflüsse dafür verantwortlich waren, dass die Zielpersonen das Haus nicht verlassen haben. War dies der Fall, wird der jeweilige Stichtag für die gesamte Gemeinde als „Wettertag“ (Tag mit schlechtem Wetter) gewertet. Das Mobilitätsverhalten an diesen „Wettertagen“ kann dann ausgewertet und mit den anderen Tagen des Jahres verglichen werden. Der Schwerpunkt dieses Ansatzes liegt also nicht darin, die beeinflussenden Wetterfaktoren möglichst genau zu beschreiben, sondern von ihrer Wirkung auf das Verhalten der Menschen auszugehen.

An den so bestimmten „Wettertagen“ ist die Zahl der Wege um fast ein Viertel geringer (23 %) als an den anderen Tagen. Dieser Wert ergibt sich aus einem Rückgang des „Außer-Haus-Anteils“ (Personen, die am Stichtag das Haus verlassen haben) um 19 % und einem Rückgang der Mobilität der „Mobilen“ (das sind die Personen die das Haus verlassen haben) um 4 %.

Die großen Verlierer bei schlechtem Wetter sind die Zweiräder (Motorrad 50 %; Fahrrad 41 % an allen Wegen). Am wenigsten eingeschränkt ist das Zu-Fuß-Gehen und der Pkw-Solo (-20 % bzw. -14 % bei Gesamt).

Die Auswirkungen auf die „Mobilen“ sind deutlich geringer. Unbeeinflusst bleibt der Anteil der Fußgänger und der Fahrer-Solo ist das einzige Verkehrsmittel das sogar – wenn auch leicht – zulegt.

In Kürze

In den Achtzigerjahren hätte die Gefahr bestanden, dass dieser Beitrag als „grüne Ideologie“ gewertet wird. Diese Zeiten haben sich geändert. Es wird deutlich, welche Rolle das Auto in unserer gelebten Alltagsmobilität wirklich spielt: Wie isoliert die Autofahrer unterwegs sind mit vielen kurzen und leicht verlagerbaren Wegen. Und dass sie ihr Auto nur drei Prozent seiner Lebensdauer bewegen. Da überrascht es nicht, dass Konzepte zur Vielfach-Nutzung der Autos durch mehr Menschen immer populärer werden. Und dass gerade junge Leute, die das Auto-Status-Denken leichter überwinden, daran Gefallen finden.

Quellen:

(1) Brög (2012): Mögen hätten wir schon wollen ... –Die verkannte Bereitschaft der Menschen zur Änderung ihres Verhaltens – (In: Von der Vision zur Realität, Festschrift zum 100. Geburtstag von Ludwig Bölkow, Herausgeber: Ludwig-Bölkow-Stiftung)

(2) Rudloff u. a. (Austrian Institute of Technology, 2015): Influence of weather on transport demand: A case study from the Vienna Region. (In: Transportation Research Record: Journal of the Transportation research board, Volume 2482, 2015)

 

Dieser Artikel von Werner Brög ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 3/2016, erschienen. 

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