Autonomes Fahren im (eigenen) Auto
Die Vorstellung vom autonomen Fahren mag auf den ersten Blick gruselig erscheinen: Wir sollen die Kontrolle über das Fahrzeug ganz der Technik überlassen. Auf den zweiten Blick kann es aber auch Vorzüge haben: Die Fahrzeit kann zum Lesen, Telefonieren oder Schlafen genutzt werden, Parkplätze kann das Auto selbstständig „suchen“ und es kann anschließend direkt zum nächsten Ort fahren, um die nächste Person abzuholen. Kurzum, durch autonomes Fahren entstehen neue Möglichkeiten, mobil zu sein. Beispielsweise können damit demographische Herausforderungen abgemildert werden, indem Nutzer:innengruppen einen Zugang zum motorisierten Individualverkehr (MIV) bekommen, die vorher davon ausgeschlossen waren. So könnten etwa gesundheits- oder altersbedingt eingeschränkte Personen ein Auto nutzen und sind nicht mehr auf öffentliche Verkehrsmittel (ÖPNV) und ihre Füße angewiesen. Hier zeigt sich eine potenzielle Konkurrenz zwischen MIV und ÖPNV. Was daraus folgt, wäre eine massive Zunahme an Fahrzeugen – nicht nur durch die gestiegene Attraktivität des MIV, sondern vor allem auch durch Leerfahrten. Eine weitere Zunahme des MIV hätte zahlreiche negative Effekte – auf den Klimaschutz, aber auch auf Flächen- sowie Ressourcenverbrauch, Verkehrssicherheit, Luftreinhaltung und Lärmschutz. Hinzu kommt ein gesteigerter Energieverbrauch im Vergleich zu aktuellen Elektroautos durch leistungsstärkere IT-Systeme.
Befürworter betonen, autonome Autos könnten gleichmäßiger und effizienter fahren als Menschen, und auch Antriebe sowie Energiesysteme würden zunehmend effizienter. Es dürfte allerdings klar sein, dass (ungesteuerte) Zulassungen vollautomatisierter Fahrzeuge nicht sehr ökologisch und nachhaltig sind. Vielmehr bedarf es gezielter, politisch gesteuerter Einschränkungen. Denkbar wären beispielsweise Zufahrtsbeschränkungen, Fahrzeuganzahlobergrenzen in bestimmten Bereichen, ein fester Parkplatzsuchradius oder die Bepreisung von Leerfahrten. Doch zur Rechtfertigung solcher Einschränkungen müssen Alternativangebote zur Verfügung gestellt werden, auch, um von vornherein zum MIV-Verzicht anzuregen. Der Fokus sollte hierbei insbesondere auf der Attraktivitätssteigerung des ÖPNV liegen.
Digitalisierung im öffentlichen Verkehr
Auch im ÖPNV bieten autonome Fahrzeuge große Potenziale. Sie sind sowohl als Teil des herkömmlichen Linienverkehrs als auch als autonomes Carsharing denkbar. Letzteres könnte helfen, ein lückenloses ÖPNV-Netz zu garantieren, insbesondere in nachfrageschwachen Gebieten und Zeiten. Um der Konkurrenz durch den komfortabler werdenden MIV standhalten zu können, ist eine gezielte Stärkung des ÖPNV nötig. Allerdings besteht hier ein Konflikt: Hoher Komfort (um neben dem MIV attraktiv zu bleiben) geht zwangsläufig auf Kosten der Beförderungseffizienz. So führen enge Taktung und direkte Wege zu mehr Fahrten, ebenso wie maximale Personenanzahlen.
Auch im ÖPNV sind die Kosten sowie der Personalaufwand für Herstellung und Wartung der autonomen Fahrzeuge nicht zu unterschätzen. Durch den Transport mehrerer Menschen zur selben Zeit und die Vermeidung von Leerfahrten bieten sie Vorteile gegenüber dem MIV. Doch auch die Fahrzeuge des ÖPNV emittieren Schadstoffe oder verbrauchen zumindest Energie. Bei all der nötigen Förderung und Öffentlichkeitsarbeit für den ÖPNV muss daher versucht werden, eine Verlagerung von Rad- und Fußverkehr auf ÖPNV oder MIV zu vermeiden.
Der aktive Verkehr (Gehen und Radeln) stellt die ökologischste Mobilitätsart dar. Es braucht ebenfalls gezielte Maßnahmen, um die aktive Mobilität zu fördern. Ideen wie das Festlegen von Mindesttransportweiten für den ÖPNV führen dabei jedoch zu Konflikten für mobilitätseingeschränkte oder ältere Menschen und können nicht pauschal festgelegt werden. Vielmehr gilt es, auf Intermodalität zu setzen. Intermodalität bedeutet eine gezielte Kombination verschiedener Verkehrsmittel. Die Kombination von Fuß- und Radverkehr und dem ÖPNV muss attraktiv gestaltet werden.
Auswirkungen auf den Rad- und Fußverkehr
Ein weiterer Aspekt bei der Etablierung autonomer Fahrzeuge ist die Sicherheit im Straßenverkehr. Besonders für die ungeschützten Verkehrsteilnehmenden im Rad- und Fußverkehr spielt dies eine große Rolle. Stand heute ist das Verhalten autonomer Fahrzeuge im Straßenverkehr nicht exakt einzuschätzen. Verlässlich bestehende Sicherheit muss jedoch eine Voraussetzung für die Zulassung sein. Eine Idee wäre, den automatisierten Verkehr durch physische Infrastruktur strikt zu separieren. Allerdings widerspricht das jeglichen Grundsätzen der integrierten Planung, die verschiedene Verkehrsarten gleichwertig denkt. Derartige Maßnahmen könnten vielmehr als „autogerechte Stadt 2.0“ bezeichnet werden. Sinnvoller ist die Attraktivitätssteigerung von Fuß- und Radverkehr. Auch dafür braucht es gezielte Steuerungsmaßnahmen. Dies könnte etwa durch die Priorisierung des Fuß- und Radverkehrs beim Infrastrukturausbau erreicht werden.
Technischer Aspekt: ständige Vernetzung
Sorgen bestehen nicht nur vor Unfällen im Straßenverkehr. Die Abhängigkeit von Technologie sowie die zunehmende Datensammlung und -verarbeitung können ebenfalls ein mulmiges Gefühl hervorrufen. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass autonome Fahrzeuge miteinander vernetzt sind. Gleichzeitig müssen sie per Sensorik sämtliche andere motorisierte und nicht motorisierte Verkehrsobjekte und -teilnehmer:innen erkennen. Das einwandfreie Funktionieren in diesem „Mischverkehr“ muss oberste Priorität haben. Ebenso wie der sensible Umgang mit Daten von Nutzer:in-nen. Die Gefahr von Hacker- und Cyberattacken auf automatisierte Systeme ist nicht zu unterschätzen. Ob diese jemals vollständig ausgeschlossen werden können, bleibt fraglich. Aktuell fehlen hier zudem auch entsprechende Rechtsgrundlagen.
Digitale Anwendungen
Einen sanfteren Schritt in Richtung Digitalisierung im Verkehr stellt der zunehmende Einsatz digitaler Anwendungen dar. Das sind beispielweise Apps zur Suche nach ÖPNV-Verbindungen, Aktivierung von E-Scootern oder Parkplatzvermittlung. Die Angebote sind zahlreich – wichtig ist daher, die Übersichtlichkeit beizubehalten und die Nutzung zu vereinfachen. Gut nachvollziehbare Apps zur ÖPNV-Übersicht und zum Ticketkauf können die Attraktivität des ÖPNV steigern. Das analoge Alternativangebot sollte hierbei stets mitgedacht und aufrechterhalten werden, um niemanden auszuschließen.
Ausblick: nachhaltigerer Verkehr durch Digitalisierung?
Die Digitalisierung im Verkehr hat noch einen langen Weg vor sich. Technologische Entwicklungen allein reichen für eine Umsetzung nicht aus. Es müssen auch Rechtsgrundlagen und politische Rahmenbedingungen festgesetzt werden.
Digitale Angebote im Verkehrssektor, insbesondere in Richtung autonomes Fahren, führen zunächst vielmehr zu einer Attraktivitätssteigerung des MIV. Soll Digitalisierung zu mehr Nachhaltigkeit im Verkehr führen, müssen hierfür gezielte Maßnahmen ergriffen werden. Dabei muss sich die Politik, wenn nötig, über marktwirtschaftliche Interessen hinwegsetzen, denn in wirtschaftlicher Hinsicht wird insbesondere der autonome MIV enorme, neue Absatzmärkte eröffnen. Es gilt, die Zulassung einzudämmen, bis sie vollständige Sicherheit gewährleisten kann. Zur gleichen Zeit müssen mindestens ähnlich attraktive Alternativen im Umweltverbund (ÖPNV, Fuß- und Radverkehr) etabliert werden. Denn ein ökologisch nachhaltiges Gesamtverkehrssystem basiert zwangsläufig auf dem Umweltverbund.
Eine (Über)Kompensierung der zusätzlich benötigten Energie, insbesondere in Anbetracht von Leerfahrten und einer allgemeinen Zunahme des MIV, ist unrealistisch. Der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom e.V. hat eine Studie erarbeitet, die zeigt, dass das CO2-Einsparpotenzial durch Digitalisierung im Verkehrssektor im Vergleich zu anderen Sektoren ohnehin sehr gering ist. So liegt das relative Einsparpotential durch Digitalisierung insbesondere im Energiesektor relativ hoch (14,4 – 15,5 %). Ein Unterschied zwischen Standard- oder beschleunigter Digitalisierung spielt besonders für die Landwirtschaft eine Rolle: Hier könnten 12,9 % CO2 bei beschleunigter oder 7, 5% bei Standard-Digitalisierung bis 2030 eingespart werden. Im Verkehrssektor liegen diese Werte hingegen nur bei 2,1 % bzw. 5,5 %. Dies lässt sich damit erklären, dass die Studie Netto-Effekte darstellt. Ein höherer Energieverbrauch durch leistungsstärkere Systeme ist entsprechend einkalkuliert.
Selbstverständlich ist jede CO2-Reduktion ein Schritt in die richtige Richtung. Die Zahlen verdeutlichen jedoch abschließend, dass Digitalisierung allein im Verkehrssektor nicht ausreicht. Im Sinne der Mobilitätswende gilt es vielmehr, auch bei zunehmender Digitalisierung, die „3 Vs“ zu beachten:
• Vermeidung von Verkehrszunahme
• Verlagerung vom MIV in den unmotorisierten Verkehr
• Verbesserung des nicht zu verlagernden oder vermeidenden motorisierten Verkehrs durch
Automatisierung, Vernetzung und emissionsarme Antriebe
Der letzte Punkt kann gut durch digitale Angebote (wie bspw. autonomer Transport in dünn besiedelten Bereichen) unterstützt werden. Letztendlich ist hier planerische, politische und gesellschaftliche Regulierung ausschlaggebend, damit Digitalisierung im Verkehr im Sinne einer ökologischen und nachhaltigen Entwicklung eingesetzt werden kann.
Rebecca Brenner