Das Potential des Fuß- und Radverkehrs unter jetzigen Bedingungen
Der Fußverkehr kann einige vom Auto gefahrenen Strecken übernehmen. Denn wenn man die Wegelängen der Autofahrten betrachtet, ist festzustellen, dass acht Prozent kürzer als einen Kilometer und elf Prozent einen bis zwei Kilometer lang sind. Die durchschnittliche Wegelänge zu Fuß beträgt 1,4 Kilometer. Wenn man annimmt, dass die bis zu 2 Kilometer langen Strecken vom Auto auf den Fußverkehr verlagert werden, könnten 19% der Autofahrten durch den Fußverkehr ersetzt werden. Da die Strecken bis zu zwei Kilometer allerdings lediglich 1,4 Prozent der mit einem Pkw mit Verbrennungsmotor zurückgelegten Gesamtdistanz ausmachen, können insgesamt 1,5 Mio. Tonnen CO2-Freisetzung eingespart werden.
Abgesehen von Senioren über 75 Jahren besitzen mehr als drei Viertel der Bevölkerung ein Fahrrad. Fahrräder werden vor allem bei Distanzen zwischen 0,5 und 3,5 km genutzt. 40 Prozent aller Pkw-Fahrten sind kürzer als fünf Kilometer und könnten auf den Radverkehr verlagert werden. Somit könnten unter jetzigen Bedingungen 8 Mio. Tonnen CO2 eingespart werden. Allerdings spart man nur geringe Mengen an Emissionen ein, wenn nur kurze Wege des Autos mit dem Fahrrad ersetzt werden. Größere Einsparpotentiale hat man, wenn Wege über längere Distanzen verlagert werden.
Klimarelevanz der Verlagerung des Autoverkehrs auf den Rad- und Fußverkehr
Rund 88 Mio. Tonnen Treibhausgase (berechnet als CO2-Äquivalente) verursachte der Pkw-Verkehr in Deutschland im Jahr 2023. Nach den Klimaschutzzielen der Bundesregierung müssten bis zum Jahr 2030 die von Pkw verursachten Emissionen auf 51 Mio. Tonnen reduziert werden.
Die durch den Pkw verursachten Emissionen pro Kopf der Bevölkerung (pro Person) pro Jahr betragen in Deutschland im Durchschnitt etwa 1,5 bis 2 Tonnen CO2. Diese Zahl variiert. Eine Studie im Jahr 2021 befragte circa 2.000 Personen aus sieben europäischen Städten nach ihrem täglichen Mobilitätsverhalten. Ergebnisse zeigten, dass ein Wechsel vom Auto zu aktiver Mobilität für einen Tag in der Woche die CO2-Emissionen pro Person um circa 0,5 Tonnen CO2 pro
Jahr reduzieren würde. Ähnlich viele Emissionsmengen werden eingespart, wenn an 200 Tagen des Jahres pro Person und pro Tag eine Fahrt mehr mit dem Fahrrad und eine Fahrt weniger mit dem Auto zurückgelegt werden würde. Wenn also alle in Deutschland lebenden Personen ihr Verhalten auf diese Weise ändern würden, dann würden pro Kopf der Bevölkerung durchschnittlich nur noch 1 bis 1,5 Tonnen CO2 verursacht.
Wenn man die derzeitigen Möglichkeiten in Betracht zieht, kann man die mit dem Auto zurückgelegten Wege bis 2 km Länge auf den Fußverkehr verlagern und 1,5 Mio. Tonnen CO2 einsparen, d.h. von Pkw verursachte Emissionen in Deutschland könnten auf 86,5 Mio. Tonnen reduziert werden. Wenn alle Fahrten von Pkw bis 5 km auf den Radverkehr verlagert werden, könnte man um die 8 Mio. Tonnen CO2 einsparen. Womit man auf 78,5 Mio. Tonnen von Pkw verursachte Treibhausgase käme. Um die Klimaziele zu erreichen, sind die Möglichkeiten und Potenziale des Fahrrad- und Fußverkehrs zwar bedeutend, aber allein nicht ausreichend.
Das Mobilitätsverhalten von Personen ist stark von langfristigen Mobilitätsentscheidungen geprägt. Doch der Wertewandel in unserer Gesellschaft hat auch den Umgang mit der Mobilität verändert. Momentan sind eine positive Entwicklung des Radverkehrs und eine zunehmende Anerkennung des Fußverkehrs zu beobachten. Zudem ist eine zunehmende Multi- und Intermodalität zu erkennen. Vor allem bei jungen Altersklassen und in den Metropolen fällt der Anteil an multimodalen Personen hoch aus. Bei allen multimodalen Personen fällt die Länge der mit dem Auto zurückgelegten Tagesstrecke kürzer aus als bei Autofahrern. Hierbei könnte dem Fuß- und Radverkehr eine bedeutende Rolle zukommen.
Das wahre Potential des Radverkehrs
Eine Studie des ADFC hat herausgefunden, dass der Radverkehr einen viel größeren Beitrag zur Verbesserung der Klimabilanz haben könnte. Der Radverkehrsanteil beträgt auf Strecken bis zu 30 km momentan 13 %. Wenn sich der Radverkehrsanteil bis 2035 so entwickelt wie bisher, sind wir dann bei 15 % Radverkehrsanteil. Allerdings könnte der Radverkehrsanteil laut Studie bis 2035 auf 45% erhöht werden. Voraussetzungen für diese Erhöhung des Radverkehrsanteils sind einladende Infrastrukturen, gute Schnittstellen mit Bus und Bahn und fahrradfreundliche Kommunen. So habe Deutschland das Potential bis 2035 „Fahrradland Plus“ zu werden. Mit diesem Modell könnte nach Berechnungen des ADFC 19 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden.
Diskurs: Einschränkung oder Verbot des Autoverkehrs
Damit der Rad-und Fußverkehrs Treibhausgasemissionen signifikant reduzieren kann und Autofahrer:innen das Umsteigen die Verkehrsmittel des Umweltverbundes schmackhaft wird, muss ein dickes Bündel von Push- und Pull-Maßnahmen ran. Einige Beispiele: Das vorbildliche Leitbild der „Stadt der kurzen Wege“ setzt den Fokus auf Nahmobilität. Zuerst muss die Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur sicherer, einladender, durchgängiger und vor allem schneller ausgebaut werden. Um die Multimodalität zu fördern, müssen Bahnhöfe und Haltestellen gut erreichbar sein, insbesondere im ländlichen Raum. Das Gehwegparken muss abgeschafft, das Bewohnerparken erheblich teurer werden.
Fuß- und Radverkehr haben großes Potential, eine nachhaltige Alternative zum Autoverkehr zu bieten. Notwendig dafür sind allerdings der politische Wille und entsprechende Maßnahmen, um ein reales Potential zur Verbesserung der Klimabilanz darzustellen.
CO²-Fußabdruck: Wie groß darf er sein?
Schätzungen zufolge darf der CO2 -Fußabdruck je Mensch und Jahr nicht über drei Tonnen liegen. Laut Berechnungen des Umweltbundesamtes produziert eine durchschnittliche Person in Deutschland jährlich insgesamt elf Tonnen Treibhausgase. Damit gehören Deutschlands Pro-Kopf-TGE zu den höchsten weltweit. Schlichtweg durch die Änderung privater Konsummuster ist der Wert von unter drei Tonnen Treibhausgasen pro Person nicht möglich. Es ist die Verantwortung der Energiekonzerne, der Politik und der Lebensmittelindustrie, Maßnahmen einzuleiten, um eine signifikante Reduktion der TGE bewirken zu können.
Wilma Kahl
Praktikantin bei FUSS und UMKEHR