Fuß- und radverkehrsfreundliche, attraktive und sichere Gestaltungen von innerörtlichen Straßen und Plätzen gehören in der jüngeren Vergangenheit erfreulicherweise zum Repertoire kommunaler Planungen. Unsicherheiten bestehen vielerorts darin, welche Lösungen und Querschnitte zu wählen sind, wenn Flächenkonkurrenzen und enge Straßenräume zu verzeichnen sind. Zudem ist vielfach nicht klar, welche Regelungen für den Bestand gelten, was „einklagbar“ ist und wann etwas verändert werden muss oder sollte.

Die Ansprüche können vielfältig sein und von der Gewährleistung zumindest hinreichender Gehwegbreiten über sichere Radverkehrsanlagen, hinreichende Verkehrsqualität für den fließenden Kfz-Verkehr und den Öffentlichen Verkehr bis hin zur Befriedigung der Parkraumnachfrage reichen. Planende von Stadtstraßen und kommunalpolitische Entscheidungsträger scheinen allerdings mancherorts zu meinen, dass sie Hauptverkehrs- und Erschließungsstraßen nach ihrer eigenen Prioritätensetzung neu planen oder umgestalten können. Dies ist ein Trugschluss, der einen nicht unerheblichen Beitrag zu jährlich mehr als 300.000 verletzten Menschen leistet. Verstöße gegen sicherheitsrelevante Regeln der Technik können zu Personenschäden und in Fällen mit nachweisbaren kausalen Zusammenhängen zu Strafverfahren führen, die alle Beteiligten in hohem Maße belasten. Um dieses zu vermeiden, ist der jeweils aktuelle Stand der Technik zur Stadtstraßengestaltung heranzuziehen und generell so zu planen, dass unter Abwägung aller Nutzungsansprüche die sicherste Lösung umgesetzt wird. Hierbei sind wenigstens die Mindestanforderungen an Gehwegbreiten zu beachten.

Mindestanforderungen an Gehwege nach gültigem Regelwerk

Obwohl seit nunmehr 15 Jahren fest verankert scheint es immer noch zu wenig bekannt, dass für Gehwege selbst in Wohnstraßen – und nur bei wenig Schwerverkehr und nur in Straßenräumen ohne Hausfassaden und Wände - eine Mindestbreite von 2,10 m in den straßenplanerischen Regelwerken verankert ist. In Hauptverkehrsstraßen mit Schwerverkehr und Hausfassaden sind es mindestens 2,50 m – nachzulesen sowohl in den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen RASt [1], als auch in den Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen EFA [2] und den Hinweisen für barrierefreie Verkehrsanlagen HBVA [3]. Die veraltete Vorgabe eines Mindestmaßes von 1,50 m existiert sowohl im aktuellen Regelwerk als auch in der Straßenverkehrsordnung und der entsprechenden Verwaltungsvorschrift schon lange nicht mehr. Im Gegenteil: die RASt [1] formulieren Anforderungen für einen über die Mindestmaße hinausgehenden Raumbedarf, der beispielsweise vor Geschäften ein Minimum von 5,00 m Breite erfordert.

Konkret heißt es in Ziffer 6.1.6.1 der RASt [1]: „Zwei Fußgänger sollen sich begegnen können: Dies erfordert neben der zum Gehen benötigten Breite der beiden Fußgänger einen Begegnungsabstand (Verkehrsraum). Zur Fahrbahn und zur Hauswand sind jeweils Abstände einzuhalten. Wie im Bild 70 dargestellt ergibt sich daraus im Regelfall eine Seitenraumbreite von 2,50 m. Diese kann sich je nach Entwurfssituation verbreitern.“ Ein „sollten“ wird in diesem Zusammenhang also nicht verwendet.

Konkrete Anforderungen enthalten die RASt [1] auch in Bezug auf die Frage, wann ein Gehweg mit diesen Mindestbreiten erforderlich ist und wann darauf verzichtet werden kann:

  • An angebauten Straßen sind überall Anlagen für den Fußverkehr erforderlich.
  • Lücken in der Bebauung dürfen diese Grundausstattung nicht unterbrechen.
  • An einseitig angebauten Straßen können Gehwege auf der nicht angebauten Seite nur entfallen, wenn auf der anderen Seite keine Ziele liegen, wie z. B. Haltestellen oder Parkplätze.
  • Grundsätzlich wird bei der Dimensionierung von Gehwegen von einer üblichen Zusammensetzung der Fußgängerströme ausgegangen. Wird mit einer größeren Anzahl an Zufußgehenden mit besonderen Ansprüchen (z. B. Mobilitätseingeschränkte) gerechnet, sollten die Maße entsprechend angepasst werden, damit im Begegnungsfall (z. B. Kinderwagen und Rollator) nicht auf die Straße ausgewichen werden muss.

Nur Erschließungsstraßen, die nach dem Mischungsprinzip entworfen werden, können nach RASt [1] ohne Gehwege mit den oben genannten Mindestbreiten ausgestattet werden. Gemeint sind damit Straßenräume, die mit dem Zeichen 325 der StVO als verkehrsberuhigte Bereiche ausgewiesen und als Mischflächen gestaltet sind. Die Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung enthält wiederum Einsatzgrenzen, wie überwiegende Aufenthaltsfunktion und sehr geringer Verkehr, die die Anordnung des Zeichens 325 ermöglichen. Dies erscheint auch planerisch sinnvoll, denn ein erwünschtes Kinderspiel auf dafür geplante Straßen wird wohl kaum noch in Quartiers- oder Sammelstraßen, sondern nur in kurzen Abschnitten mit ausschließlichem Anliegerverkehr funktional und sicher möglich sein.

Die RASt [1] berücksichtigt auch die Ansprüche von Mobilitätseingeschränkten und enthält hierzu entsprechende Vorgaben bezüglich der Ausgestaltung und Dimensionierung von Gehwegen. Dabei soll die Benutzung straßenbegleitender Gehflächen durch die Beachtung folgender Punkte erleichtert werden:

  • Anlage von hindernisfreien, taktil und visuell abgegrenzten Gehwegbereichen, mit wenigen Richtungsänderungen, die taktil und optisch kontrastierend wahrnehmbar sein sollen,
  • geringe Neigungen (0,5 % bis maximal 3,0 %) (gesamte Schrägneigung, z. B. an Grundstücksausfahrten mit Gehwegabsenkung),
  • Absenkung der Borde an Überquerungsstellen […],
  • Anbringung von taktilen Hilfen wie Bordkanten, Pflasterkanten, Begrenzungsstreifen
  • Anlage von Orientierungsstreifen und Aufmerksamkeitsfelder als leitende und warnende Hilfe auf wichtige Elemente des Straßenraums, wie Überquerungsstellen, Haltestellen, Masten, Pflanzkübel, Sitzgelegenheiten oder Fahrradständer,
  • Anlage von Ruhebänken in angemessenen Abständen.

Begrenzungsstreifen und Kanten müssen nach RASt [1] mit den Füßen und mit dem Langstock wahrnehmbar sowie optisch kontrastierend ausgebildet sein, wobei Radwege zusätzlich in taktil wahrnehmbarer Form von den Gehwegen abzugrenzen sind. Hier sprechen die RASt [1] eine eindeutige Sprache – diesbezügliche Ausnahmen sind in den RASt [1] nicht aufgeführt.

Konkretisierungen zur barrierefreien Ausgestaltung enthalten zudem neben verschiedenen DIN-Normen die HBVA [3], die in der nächsten Ausgabe zu einem Regelwerk aufgewertet werden sollen und damit eine noch höhere Verbindlichkeit aufweisen werden.

Als Zwischenfazit ist dementsprechend festzuhalten, dass die oben aufgeführten Mindestanforderungen in den RASt [1] seit nunmehr 15 Jahren keineswegs mit Begrifflichkeiten wie „sollten“ empfohlen, sondern mindestens als Standard, oft auch als Vorgabe aufgeführt sind. Darüber hinaus handelt es sich um Mindestwerte, die möglichst überschritten werden sollten. Für bestimmte Situationen, wie für Geschäftsstraßen, sind zudem darüberhinausgehende Mindestanforderungen formuliert.

Verbindlichkeit der Mindestanforderungen beim Neu-, Um- und Ausbau

Straßenplanungen der heutigen Generation sind von Flächenkonflikten, von außerplanerischen Ansprüchen sowie von politischen und gesellschaftlichen Einflüssen geprägt. Welche Prioritäten bei Abwägungsprozessen gesetzt werden, mögen von kommunalpolitischen Mehrheiten, von der Akzeptanz in der Bürgerschaft, von finanziellen Ressourcen und letzten Endes vom Einzelfall abhängen. Dagegen wäre prinzipiell nichts einzuwenden, wenn eine funktionelle und immer die sicherste Lösung gewählt werden würde. Dieses gelingt durchaus – nämlich mit Einhaltung der Vorgaben und Standards der Regelwerke.

Viele mögen nun anführen, dass die Einhaltung der Vorgaben und Standards der Regelwerke bei den vielen Ansprüchen in Hauptverkehrs- und Erschließungsstraßen nahezu niemals gelingt. Vielleicht wird auch argumentiert, dass Regelwerke wie die RASt [1], die EFA [2] oder die HBVA [3] nicht – und aktuelle Empfehlungen aus der Forschung schon gar nicht - eingeführt seien, daher bei Abwägungen höchstens als Richtschnur dienen können und die Regelungen nicht verbindlich wären.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

  • Die Strukturierung der Regelwerke (R1 und R2) und Wissensdokumente (W1 und W2) erfolgt vor dem Hintergrund unterschiedlicher Abstimmungsprozesse. Regelwerke sind nicht nur FGSV-intern abgestimmt, sondern obliegen Abstimmungsverfahren wie Bund-Länder-Abstimmungen, die an Planfeststellungsverfahren erinnern. Dadurch werden Regelwerke schon mit ihrer Drucklegung rechtlich als anerkannte Regeln der Technik eingestuft. Ein etwaiger Einführungserlass ist damit obsolet.
  • Werden in anerkannten Regeln der Technik „ist“ und „sind“ verwendet, handelt es sich um Vorgaben, die einzuhalten sind. Von diesen Vorgaben kann nur abgewichen werden, wenn dies, z. B. in einer Engstelle begrenzter Länge, zwingend erforderlich ist. Werden die Begriffe „soll“ und „sollen“ verwendet, darf von diesen Standards nur aus triftigen Gründen abgewichen werden. Dabei empfiehlt es sich, Abweichungen zu begründen und schriftlich zu dokumentieren.
  • Maßstab bei Rechtsprechungen sind „verantwortungsbewusst handelnde“ Planerinnen und Planer. Weder die politischen Entscheidungsträger, noch die Verwaltungsspitzen werden in Rechenschaft gezogen, wenn eine Kausalität zwischen sicherheitsrelevanten Abweichungen von anerkannten Regeln der Technik bzw. dem Stand der Technik und Personenschäden nachgewiesen wird. Entscheidend sind dann vielmehr die Handlungen der Planenden, die dann hoffentlich ihre Sachkunde dokumentiert und im Zweifelsfall ihr Demonstrieren gegen – oder zumindest ihre Hinweise auf - sicherheitsrelevante Abweichungen in Erläuterungsberichten, Schriftstücken oder E-Mails nachweisen können. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf die erfolgte Verurteilung von Verkehrsplanenden wegen nicht regelkonform geplanter und umgesetzter geschwindigkeitsreduzierender Elemente in einer deutschen Stadtstraße. Ein Radfahrer war tödlich verunglückt und das Urteil lautete auf fahrlässige Tötung. Ein tragischer Fall für alle Beteiligten – dieses Beispiel wird keinesfalls zur „Nachverurteilung“ genannt, sondern soll präventiv sensibilisieren und darauf hinweisen, dass Vorgaben und Anweisungen in Regelwerken auf Sicherheitsforschungen basieren und Abweichungen gut begründet sein oder sich in begleiteten Pilotstudien bewähren müssen.

Abwägungen sind bei Stadtstraßenplanungen selbstverständlich. In den RASt [1] ist unter Ziffer 1 dazu ausgeführt: „Das Hauptziel bei Planung und Entwurf von Stadtstraßen ist die Verträglichkeit der Nutzungsansprüche untereinander und mit den Umfeldnutzungen, die auch die Verbesserung der Verkehrssicherheit einschließt.“

„Dabei wird es vielfach - vor allem in Innenstädten – notwendig sein, die Menge oder zumindest die Ansprüche des motorisierten Individualverkehrs an Geschwindigkeit und Komfort zu reduzieren und den Fußgänger- und Radverkehr sowie den öffentlichen Personenverkehr zu fördern. Dadurch lassen sich viele problematische Situationen an vorhandenen Stadtstraßen verbessern und an geplanten Stadtstraßen von vornherein vermeiden.“ Als Hauptziel wird insofern die Verbesserung der Verkehrssicherheit explizit genannt. Dazu passt es nicht, wenn beispielsweise aus wirtschaftlichen Erwägungen sicherheitsrelevante Regeln missachtet und Gehwege mit einer Breite unterhalb der Mindestbreite konzipiert werden. Ebenso wenig funktional und sicher ist es, auf taktil wahrnehmbare und optisch kontrastierende Begrenzungsstreifen aus städtebaulich-visuellen Gründen zu verzichten. Unverständlich und gefährlich ist es zudem, wenn Parkstände dort angelegt oder dort akzeptiert werden, wo sie die verbindlich einzuhaltenden Sichtdreiecke an Knotenpunkten oder an Überquerungsanlagen beeinträchtigen.

Weltweit existieren recht unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Aufstellung und Anwendung von Regeln zur Stadtstraßengestaltung. Sie reichen von wenigen, aber vorgeschriebenen Standards, von denen nicht abgewichen werden darf, bis hin zu dicken Handbüchern ohne Verbindlichkeitscharakter. Die in Deutschland gewählte Lösung liegt diesbezüglich „in der Mitte“. Die anerkannten Regeln der Technik und der Stand der Technik sind bei Planungen zu beachten. Wird davon abgewichen und sind diese Abweichungen sicherheitsrelevant und vermeidbar, dann liegt die Verantwortung bei den handelnden Planerinnen und Planer. Können die Regeln nicht umgesetzt werden, weil der Platz zwischen zwei Hauskanten nicht ausreicht, um Fahrbahn und Gehweg regelkonform zu gestalten, ist daran nichts auszusetzen. Liegen triftige Gründe, wie die Notwendigkeit einer sicheren Radverkehrsanlage in einem bestehenden Straßenraum vor, kann es sein, dass Kompromisse mit geringerer Gehwegbreite eingegangen werden müssen.

Liegen die Gründe aber in einer wirtschaftlicheren Vorgehensweise (z.B. geringere Gehwegbreiten, um mehr Grundstücksfläche vermarkten zu können) oder in der Befriedigung einer Parkraumnachfrage, für die auch andere Lösungen gewählt werden könnten (z.B. Längsparkstände im Straßenraum statt Stellplatznachweis auf den Grundstücksflächen und/oder auf einer abgegrenzten Fläche), sind verringerte Gehwegbreiten weder planerisch, noch rechtlich vertretbar. In solchen Fällen sollten „alle Hebel in Bewegung gesetzt werden“, um eine Umsetzung zu vermeiden. Dabei können interne Verfahrensweisen der Ämterabstimmung oder Bürgereinwände ebenso helfen wie unabhängige Sicherheitsaudits, die etwaigen Klageandrohungen oder gar Klagen vorgezogen werden sollten. Hilft das alles nichts, können Rechtsmittel ggf. dann helfen, wenn Regelwerkverstöße vorliegen und/oder nachweislich unsichere Lösungen umgesetzt werden sollen.

Mindestanforderungen an den Bestand

Gehwege erfüllen in vielen Fällen die oben aufgeführten Mindestanforderungen nicht. Zufußgehende treffen auf ihren Wegen vielfach auf Hindernisse oder sind Konflikten mit anderen Verkehrsteilnehmenden ausgesetzt. Oft fehlt auch ein Gehweg oder die Gehwege sind viel zu schmal und lückenhaft. Legal oder illegal abgestellte Fahrzeuge, Fahrräder und E-Scooter versperren den Weg, Bewuchs schränkt die Gehwegbreite vielfach ein, Auslagen, Einbauten oder Parkstände führen oft zu Situationen, in denen höchstens noch ein „Schrammbord“, aber kein Gehweg mehr zu verzeichnen ist.

Sowohl planerisch, als auch rechtlich gibt es leider keine eindeutigen Vorgaben, die Einfluss auf den Bestand haben – und wenn, dann werden sie oft missachtet. So darf beispielsweise das Parken auf Gehwegen mit Zeichen 315 der StVO nur zugelassen werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Zufußgehenden gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt. Dennoch werden in der Praxis häufig verbleibende Gehwegbreiten von 1,50 m oder weniger geduldet und Gehwegparken angeordnet. Jedenfalls sind die Mindestanforderungen der Regelwerke im Bestand eindeutig nicht „einklagbar“ – Vorgaben für den Bestand müssten in der Straßenverkehrsordnung und der zugehörigen Verwaltungsvorschrift verankert sein.

Die Verkehrsministerkonferenz hat Mitte April 2021 einen Vorschlag zur Novellierung des Rechtsrahmens zur Erhöhung der Sicherheit und Attraktivität des Fußverkehrs verabschiedet, nachdem das Parken auf Gehwegen nur zugelassen werden darf, wenn eine Gehwegbreite von mindestens 1,80 Metern zzgl. der nötigen Sicherheitsabstände gemäß den RASt [1] bleibt. Wird dieser Vorschlag in den StVO verankert, wirkt dieses auch in den Bestand, so dass davon abweichende Anordnungen wieder zurückgenommen werden müssen. Zudem sollen die Sichtfelder der RASt [1] nach diesem Vorschlag auch in der StVO verankert werden, so dass das Parken je 20 m vor Kreuzungen, Einmündungen und Querungshilfen des Fußverkehrs bei 50 km/h, 10 m bei 30 km/h künftig unzulässig würde. Insofern sollen Gehwege zukünftig mehr als bisher freigehalten werden, was Missstände noch nicht beseitigen, aber mindern wird.

Ausblick

Viele Veränderungen im In- und Ausland zeigen, dass man sich den künftigen Herausforderungen stellen und äußerst erfolgreich Fußverkehr fördern kann. Die wesentlichen Erfolgsfaktoren sind die Einführung angepasster Geschwindigkeiten sowie Flächenumwandlungen in städtischen Straßen, die positiv wirkende Gestaltungen und ein gutes Kleinklima in den Straßenräumen ermöglichten. Dabei hat sich auch das Verkehrsklima geändert – aus Straßen, durch die man durchgefahren ist, wurden Räume, in denen man sich wohl fühlt, die man sich sehr gerne erläuft und in denen man verweilt, miteinander kommuniziert und wertvolle Zeit verbringt. Forschungsergebnisse zeigen, dass Tätigkeiten, wie Verweilen, mit anderen sprechen oder Spielen und Sport in Straßen mit 30 km/h und guter Qualität des Seitenraumes um den Faktor 2, in Straßen mit 20 km/h um den Faktor 3 ansteigen, wenn dort vorher 50 km/h gefahren wurde. Reduzierte Geschwindigkeit einhergehend mit ausreichend Platz für den Fußverkehr bringt völlig unstrittig nicht nur mehr Lebensqualität, sondern auch mehr Verkehrssicherheit in unsere Städte.

Politische Entscheidungstragende haben dieses auch in einigen deutschen Städten erkannt und setzen es erfolgreich um. Beispielsammlungen von gut gestalteten Plätzen und Straßen sowie Argumentations- und Entscheidungshilfen finden sich auf vielen Websites (Beispiele: [4] bis [11]. So haben beispielsweise Hamburg eine ehemalige Hauptverkehrsstraße in einen Schulhof integriert, Freising das Zentrum vom parkenden Verkehr befreit oder Aachen Premiumwege ins Aachener Grün barrierefrei und komfortabel gestaltet. So ist der Fußverkehr auf dem Vormarsch und es sieht so aus, dass – unterstützt durch eine im Jahr 2022 vorgesehene Nationale Fußverkehrsstrategie und eine Fußverkehrs-Novelle der StVO – gravierende Veränderungen des städtischen Verkehrsgeschehens anstehen, die uns guttun werden. Die Einhaltung von Mindestanforderungen an Gehwege ist dabei nur ein Baustein, aber ein durchaus wichtiger Bestandteil auf dem Weg zu einem klimaneutralen Verkehr.

In Kürze

Das gültige Regelwerk zur Stadtstraßengestaltung enthält Mindestanforderungen zur Planung von Gehwegen. So beträgt die Mindestbreite von Gehwegen in Hauptverkehrsstraßen 2,50 m. Die Mindestanforderungen sind sicherheitsrelevante und anerkannte Regeln der Technik. Für Abweichungen hiervon müssen triftige Gründe vorliegen. Die Mindestanforderungen gelten gleichwohl nicht für den Bestand. Nach einem Vorschlag der Verkehrsministerkonferenz für eine „Fußverkehrs-Novelle“ der StVO müssen bestehende Gehwege zukünftig mehr als bisher freigehalten werden, was Missstände noch nicht beseitigen, aber mindern wird.

Literaturhinweise

  1. FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, RASt, Köln 2006
  2. FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen, EFA, Köln, 2002
  3. FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen, Köln 2011
  4. Agora-Verkehrswende: Parkraummanagement lohnt sich! Leitfaden für Kommunikation und Verwaltungspraxis, Berlin 2019
  5. BSVI Bundesvereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure: Leitfaden zeitgemäß planen – interdisziplinär und kommunikativ, München 2017
  6. DVR Deutscher Verkehrssicherheitsrat: Beispielsammlung Gute Straßen in Stadt und Dorf, dvr.de/themen/infrastruktur/beispielsammlung-gute-strassen-in-stadt-und-dorf
  7. DVR Deutscher Verkehrssicherheitsrat: Verkehrssicherheit für Entscheider in Stadt und Land, dvr.de/service/medien/verkehrssicherheit-fuer-entscheider-in-stadt-und-land
  8. FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland: Geh-rechtes Planen und Gestalten – Rechtliche Planungsgrundlagen für den Fußverkehr, Berlin 2020
  9. UBA Umweltbundesamt: Straßen und Plätze neu denken, Berlin 2017
  10. UBA Umweltbundesamt: Quartiersmobilität gestalten - Verkehrsbelastungen reduzieren und Flächen gewinnen, Berlin 2020
  11. UDV Unfallforschung der Versicherer: Unfallrisiko Parken für zu Fuß Gehende und Radfahrende, Berlin 2020

Unter www.geh-recht.de → Fußverkehrsanlagen → „Allgemeine Anmerkungen zu den Planungsgrundlagen“ finden Sie noch ergänzende Erläuterungen zu diesem Themenkomplex.

 

Dieser Artikel von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gerlach ist in mobilogisch!, der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 2/2021, erschienen.

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