Finanzierung des ÖPNV

Die Meldungen sind widersprüchlich: Hasselt schafft seinen „kostenlosen“ ÖPNV ab, Tallinn führt ihn im letzten Jahr ein – und ist zufrieden damit. Es ist wieder Bewegung gekommen in die Frage: Zustimmung von unerwarteter Seite und mehr Initiativen in Kommunen. Dabei nimmt die Zahl der Begriffe zu und die Übersichtlichkeit ab. Folgend ein Überblick über Argumente und Entwicklungen.

Das Problem

Kommunen und Landkreisen fehlt Geld für den ÖPNV – eine Querfinanzierung ist nur noch selten möglich, die Zweckbindung der Zuschüsse vom Bund (GVFG- und Regionalisierungsmittel) wurde aufgeweicht und die Mittel zusammengestrichen. Es ist unklar, wie und ob diese über das Jahr 2019 hinaus verlängert werden. Auf der anderen Seite steigen insbesondere die Kosten für Energie.

Daraufhin wurden und werden die Fahrpreise vielerorts so erhöht, dass sich immer mehr Menschen ÖPNV-Fahrten nicht mehr leisten können. Damit wird die Abwärtsspirale weiter beschleunigt: Schlechteres Angebot führt zu weniger Fahrgästen und damit zu weniger Einnahmen, die Angebote werden unrentabler, also muss das Angebot ausgedünnt werden.

Neue, verlässliche – zusätzlich oder alternativ - Finanzierungsgrundlagen müssen also für den ÖPNV geschaffen werden. Neben dem Ausbau des ÖPNV hinsichtlich Qualität und Quantität sollte auch der Trend zu immer höheren Fahrpreise gestoppt werden, damit möglichst alle Einwohner/innen sich Bus und Bahn leisten und mobil bleiben können. Durch die Erschließung neuer Einnahmequellen für den ÖPNV können die notwendigen Mehrausgaben und sinkenden Fahrpreise finanziert werden.

Drittnutzer heranziehen

Der ÖPNV hat neben seinen Fahrgästen, die unmittelbaren Nutzen aus dem Angebot ziehen, auch viele indirekte Nutzer. Diese werden auch als Drittnutzer bezeichnet. Sie nehmen zwar die Angebote nicht selbst in Anspruch, könnten dies aber bei Bedarf, z.B. bei einem Defekt des eigenen Autos. Daneben gibt es weitere Nutznießer, die beispielsweise von den Fahrgästen des ÖPNV als Kunden, Besucher oder Mitarbeiter profitieren. Umweltbelastung und Flächeninanspruchnahme verringern sich, es gibt weniger Staus und Konkurrenz um knappen Straßenraum sowie Parkplätze, wenn auf das eigene Auto verzichtet wird. Es gibt also gute Argumente, auch die indirekt profitierenden Drittnutzer an der Finanzierung des ÖPNV zu beteiligen. Doch welche Instrumente stehen den Verantwortlichen zur Verfügung?

Im In- und Ausland werden potenzielle Nutzer und indirekte Nutznießer bereits für die Finanzierung des ÖPNV herangezogen. Folgend je ein Beispiel:

  • Potenzielle Nutzer: Das bekannteste Modell, das in Deutschland praktiziert wird, ist das Semesterticket vieler Universitäten für ihre Studierenden. Damit finanzieren Studierende in Deutschland – unabhängig davon, ob sie Bus und Bahn selbst nutzen – vielerorts bereits mit diesen Pflichtbeiträgen den ÖPNV mit.
  • Indirekte Nutzer: Frankreich hat eine Nahverkehrsabgabe für die Arbeitgeber eingeführt, die neben der Finanzierung der Investitionen in die Infrastruktur eine tragende Säule des ÖPNV-Angebots darstellt.

Finanzierungsmodelle

Bei allen Vorhaben, die lediglich mit einem umlagefinanzierten Finanzierungsmodellen arbeiten, gibt es Gruppen, die vom ÖPNV profitieren, jedoch nicht für ihn zahlen. Zu überlegen ist also, ob man mehrere Abgaben erhebt (z.B. neben der Bürger- auch die Touristenabgabe einführen). Kombiniert man solche Abgaben nicht, muss überlegt werden, ob und wie Fahrscheine an ansonsten umsonst fahrende Reisende verkauft werden können. Das wiederum erhöht die Betriebskosten für Fahrscheinverkauf und -kontrolle.

Haushalts-/ Bürgerabgabe:

Alle Bewohner/ innen einer Kommune profitieren von einem fahrscheinlosen Nahverkehr. Ohne den ÖPNV würde es zum Verkehrskollaps kommen. Daher ist die Erhebung einer Grundgebühr von allen Einwohner/innen für das Vorhalten eines ÖPNV-Angebots gerechtfertigt. Die Sonderabgabe bezieht sich auf Einzelpersonen, die in der Stadt ihren Hauptwohnsitz haben. Dies ermöglicht einerseits eine gute Kalkulierbarkeit der Einnahmen sowie eine gleichmäßigere Verteilung der ÖPNV-Kosten.

Andererseits würden die Bewohner/innen, die dort gar nicht oder nur mit Zweitwohnsitz gemeldet sind, in der Tat ihren individuellen Nulltarif bekommen. Die Höhe der Abgabe würde sich an den ÖPNV-Betriebskosten orientieren und könnte bzw. müsste sicherlich auch sozialpolitisch gestaffelt werden. Beispiel Tübingen: Der vormalige UBA-Verkehrsexperte Axel Friedrich kalkuliert aufgrund der Bedarfsschätzung der Stadt Tübingen von 14 Millionen Euro eine jährliche Pro-Kopf-Abgabe von ca. 200 Euro für Einwohner ab 18 Jahren. Die Abgabe entspräche monatlichen Kosten von etwa 17 Euro pro Kopf. „Luft“ zum Verteilen auf verschieden starke Schultern wäre also sicherlich vorhanden.

Zu bedenken ist, dass der ÖPNV bei einer Bürgerabgabe für Auspendler teurer statt günstiger wird. Zum einen müsste diese Gruppe die Abgabe entrichten, zum anderen hätte sie zusätzlich Bus und Bahn außerhalb der Stadtgrenzen zu zahlen. Einpendler wiederum profitieren von einer Bürgerabgabe, die nur die Einwohner/innen einer Stadt bezahlen müssen.

Die Erhebung einer Bürgerabgabe wäre verwaltungstechnisch einfach und daher kostengünstig. Nach Zahlungseingang erhalten die Bewohner/innen ein ÖPNV-Ticket.

Touristenabgabe:

Entsprechend einer Kurtaxe könnte für Tourist/ innen eine ÖPNV-Abgabe eingeführt werden, die auf den Zimmerpreis der jeweiligen Unterkunft „aufgeschlagen“ und dort auch eingezogen wird. Dies könnten sich natürlich nur Kommunen bzw. Regionen leisten, die ein begehrtes Touristenziel bilden.

Unternehmens-/Arbeitgeberabgabe:

Auch Arbeitgeber im Einzelhandel, in der Gastronomie und im Hotelgewerbe ziehen einen Nutzen aus dem ticketfreien Bussystem. So erhalten Unternehmen bspw. infolge des erhöhten Bekanntheitsgrades und der attraktiveren ÖPNV-Anbindung einen erweiterten Zugang zu potenziellen Mitarbeitern und Kunden. Zugleich werden für MIV wie für den Wirtschaftsverkehr Parkplatzkapazitäten frei (bzw. werden weniger Stellflächen benötigt) und auch im fließenden Verkehr ergeben sich Zeit- und damit Kostenvorteile aus der Verkehrsentlastung.

City-Maut:

Die Einführung einer Straßennutzungsgebühr kann vom Bund für alle Straßenkategorien veranlasst werden. Sie könnte auch von einem Bundesland zugelassen werden, sofern Bundesstraßen von der Regelung ausgenommen sind.

Der MIV zieht nicht nur aus der Verkehrsinfrastruktur Nutzen, sondern auch in zweifacher Hinsicht aus dem ÖPNV: Zum einen sind die Autofahrer/innen potenzielle Nutzer, da auch für sie das ÖPNV-Angebot bereitgehalten wird. Direkter ziehen die MIVler Nutzen aus dem ÖPNV, da Bus und Bahn Straßen und Stellflächen entlasten.

Die City-Maut kann bewirken, dass die Anzahl der motorisierten Einfahrten in die Innenstadt reduziert, die Bildung von Fahrgemeinschaften gefördert und für Autofahrer einen finanziellen Anreiz gesetzt wird, auf den ÖPNV oder unmotorisierte Modi umzusteigen.

Aktuelle Entwicklungen

Wie bereits wohl allen Leser/innen bekannt, wurde der ticketfreie ÖPNV in der bisherigen „Vorzeige-Nulltarif-Stadt“ Hasselt in Belgien im letzten Jahr beendet. Ursache für die Einstellung waren neben einer finanziellen Notlage im Kommunalhaushalt die gestiegenen Kosten des Busbetriebs, die dem Gemeinderat zu hoch zur Bezuschussung wurden. Im Endeffekt hat sich der Nulltarif in Hasselt totgesiegt: Die Fahrgastzahlen stiegen in den 17 Jahren seines Bestehens um den Faktor 13. Die anfängliche Umschichtung von Straßenbaugeldern in den ÖPNV ist in Deutschland nicht möglich.

Das Modell der City-Maut wird zur Zeit von der Stadt Tübingen geprüft. Im April 2013 wurde ein Altstadtbus probehalber eingesetzt. Außerdem gab es vom Freibadparkplatz einen Pendelbus zu den Kliniken während der Sanierung des Schlossbergtunnels. Beide Angebote floppten und wurden wieder eingestellt.

In der Zwischenzeit wurde von der Verwaltung eine Masterarbeit zum Thema „Ticketfreier Nahverkehr im Stadtgebiet Tübingen“ in Auftrag gegeben und erstellt. Im Januar 2014 wurde die Studie im Wirtschafts- und Verwaltungsausschuss vorgestellt.

In der Vorlage der Verwaltung verkündete OB Boris Palmer, dass er so lange nichts unternehmen werde, bis die Landesregierung eine gesetzliche Grundlage bereitstellt. Der Verkehrsminister lässt laut Palmer juristisch prüfen, wie eine Umlagefinanzierung möglich wäre. Ein Ergebnis sei aber in dieser Legislaturperiode nicht zu erwarten.

Die Initiative TüBus hakte nach, warum der Gemeinderat nicht die in der Studie erwähnte Experimentierklausel anwenden will. OB Boris Palmer meint, dass gegen die Anwendung der Experimentierklausel geklagt werden könnte, will das aber juristisch prüfen lassen. Bis zu den Gemeinderatswahlen tut sich sicher nichts.

Seit Anfang 2013 ist die Nutzung des ÖPNV für Einwohner/innen der estnischen Hauptstadt Tallinn nicht mehr mit dem Kauf eines Tickets verbunden. Gegen ein Pfand von zwei Euro erhalten die Einwohner eine Smartcard, die beim Ein- und Aussteigen über ein Lesegerät gezogen werden muss. Touristen müssen für eine Fahrt weiterhin bezahlen.

Mit der Einführung des neuen Tarifs sollten folgende Ziele erreicht werden: Verlagerung des MIV auf ÖV, mehr Teilhabe von Erwerbslosen und Geringverdiener/innen am Leben durch bessere Mobilität, die Erhöhung der Einwohnerzahl und damit des kommunalen Einkommensteueraufkommens. Gleichzeitig mit der Nulltarif-Einführung wurde auch das Angebot im ÖPNV erweitert.

In den letzten zwanzig Jahren sank der Anteil des ÖPNV am Gesamtverkehr auf 40 Prozent im Jahr 2012. Der Kostendeckungsgrad des ÖPNV betrug vor Einführung des Nulltarifs 33 Prozent, zwei Drittel wurden sowieso durch staatliche Mittel abgedeckt, da sechs von zehn Fahrgästen aus sozioökonomischen Gründen rabattiert oder als Menschen mit Behinderung kostenlos fuhren.

Wurden die selbstgesteckten Ziele erreicht? Eine Untersuchung der Technischen Hochschule Stockholm zeigt ein gemischtes Bild (1):

  • Fahrgastzahlen stiegen nur um drei Prozent, überwiegend wegen der Angebotsverbesserung (und nicht wegen der Freifahrten).
  • Die Kapazität des Verkehrsangebots wurde um knapp zehn Prozent erhöht. Dabei stiegen die Personenkilometer um 2,5%.
  • Die durchschnittliche Wegelänge sank um rund zehn Prozent. Dies deutet auf einen Wechsel von Fuß- und Radverkehr zum ÖPNV. Hinzu kommen Fahrgäste, die zuvor unregelmäßig mit Einzelfahrscheinen fuhren und nun das Angebot häufiger nutzen, d.h. der Verkehr wurde induziert.
  • In Stadtteilen mit höherem Anteil von Erwerbslosen und Älteren sowie niedrigem Motorisierungsgrad stieg die Nachfrage stärker.
  • Die Durchschnittsgeschwindigkeit im Straßennetz blieb konstant, d.h. eine Reduktion des MIV kann nicht festgestellt werden.
  • Die Einwohnerzahl stieg in 2013 um den Faktor 3 stärker als in den Jahren zuvor. In diesem Zusammenhang erhält Tallinn etwa zehn Millionen Euro zusätzliche Zuweisungen von der estnischen Regierung. (Die Fahrgeldeinnahmen gingen um etwa zwölf Millionen Euro zurück.)

Vorteile

Da viele Vorteile offensichtlich sind, hier lediglich einige Stichworte: Mit flankierenden Maßnahmen kann auch der MIV reduziert werden. Mobilität ist dann auch für Menschen mit geringem Einkommen möglich. Das für den Konsum verfügbare Einkommen steigt insbesondere bei Geringverdienern. Das fördert die Wirtschaft und vermehrt die Zahl der Arbeitsplätze in der Stadt (und nicht nur beim ÖPNV).

Nachteile

Wie sich auch in der Untersuchung in Tallinn zeigte, besteht die große Gefahr, dass der Zuwachs an Fahrgästen vom Fuß- und Radverkehr rekrutiert wird. Ökologisch gesehen ist das noch nicht mal ein Nullsummenspiel. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass unnötiger Mehrverkehr erzeugt wird. Das kann insbesondere zur Rush hour die Engpässe in den Fahrzeugen vergrößern. Überhaupt wird der Fahrgastzuwachs überwiegend in die Stoßzeiten fallen, in denen sowieso viele Menschen zur Arbeit und Ausbildung müssen. Daher muss auf jeden Fall überdurchschnittlich in Infrastruktur und Fahrzeuge investiert und mehr Fahrzeugführer eingestellt werden (in anderen Zeiten bleiben Bus und Bahn immer noch leer).

Auch der ÖPNV ist motorisierter Verkehr mit negativen Auswirkungen. Diese sollten nicht durch einen Nulltarif verschleiert werden: Kostenwahrheit auch für den ÖPNV!

Außerdem entfallen in Deutschland bei einem Nulltarif die Ausgleichszahlungen nach dem Personenbeförderungsgesetz für die ermäßigte bzw. kostenlose Beförderung von Schülern, Auszubildenden und Menschen mit Behinderung.

Abwägungen

Angesichts der Erfahrungen u.a. in Tallinn stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, das Angebot zu verbessern, statt die Benutzung des ÖPNV kostenlos zu gewähren.

Ist von den Verantwortlichen tatsächlich ein Umstieg von Autofahrer/innen zum ÖPNV erwünscht, müssen flankierende Maßnahmen wie flächendeckende Geschwindigkeitsreduktionen, Stellplatzreduzierungen eingeführt und höhere Parkgebühren erhoben werden. Letztere können zur Finanzierung des fahrscheinlosen ÖPNV herangezogen werden.

Ein kostenloser Nahverkehr ist vor allem für kleine und mittelgroße Städte zu empfehlen, deren ÖPNV freie Kapazitäten in den Spitzenstunden aufweist und bislang mit geringem eigenen Kostendeckungsgrad betrieben wurde. Das senkt den Zuschussbedarf beim Nulltarif.

Info und Quellen:

www.solimob.de > Nulltarif/ Sozialticket. Guter Überblick zum Thema, Hinweise auf realisierte Projekte und Links zu Quellen.

Difu (Hrsg.) Bracher/ Gies: Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge: Ist das Beitragsmodell eine Handlungsoption zur Finanzierung eines attraktiven ÖPNV-Betriebs?, difu-Papers, Berlin 2014, 32 Seiten, 5,- Euro

VCD Hintergrund: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, Juli 2012, Download auf www.vcd.org/Nahverkehr

www.bürgerticket.info

www.ticketteilen.org

(1) Centre for Transport Studies, Department of Transport Science, Royal Institute of Technology (KTH): Public Transport Pricing Policy – Empirical Evidence from a Fare-Free Scheme in Tallinn, Estonia, Stockholm, Januar 2014

Hintergrund: Häufig verwendete Begriffe

Nulltarif: Der Klassiker unter den Begriffen. Seit den siebziger Jahren reimt sich auf ihn „...sonst biegen wir die Schienen schief“. Ausgefeilte Finanzierungsmodelle gab es damals nicht, „irgendwie“ sollte der Staat die Kosten (über Steuereinnahmen) aus seinem Haushalt übernehmen. Es handelt sich also um einen steuerfinanzierten Nulltarif. Menschen, die früher Nulltarif sagten, wählen heute kostenlosen Nahverkehr.

Fahrscheinloser/ Ticketfreier ÖPNV: wird seit einiger Zeit gerne als Begriff gewählt. Bezieht sich offensichtlich nur auf ein „Symptom“, nennt aber nicht Ross und Reiter.

Umlagefinanzierter ÖPNV: Eher „technischer“ denn populärer Begriff. Sammelbezeichnung für alle Abgaben-Modelle und Solidartickets. Lässt erahnen, dass irgendwer zahlen muss.

Bürgerticket: Auch wenn der Name Frauen nicht einbezieht: Ein sympathischer Begriff, der erahnen lässt, dass hier (mehr oder weniger) solidarisch alle Bürger/innen zahlen müssen. Während das „Bonner Modell“ des Bürgertickets dieses als verpflichtendes Solidarticket einführen möchte, setzt das „Wuppertaler Modell“ auf Freiwilligkeit. (s. bürgerticket.info)

Entkriminalisieren

Laut § 265a Strafgesetzbuch ist „Beförderungserschleichung“ eine Straftat. Wer dreimal beim Schwarzfahren von Kontrolleuren ertappt wird, erhält eine Anzeige durch den Verkehrsbetrieb. Zahlt der Beklagte dann immer noch nicht, muss er in der Regel nach einem Gerichtsverfahren eine Ersatzfreiheitsstrafe von etwa zwei Wochen antreten. In Berlin saßen 1.300 Menschen im Jahr 2011 im Gefängnis wegen Schwarzfahrens.

Bei einem Gefängnistagessatz von über 100 Euro kommt man so auf rund zwei Millionen Euro Kosten allein für Berlin. Hinzu kommen Gerichtskosten aus dem Staatssäckel sowie Verwaltungs- und Rechtsanwaltskosten für die Verkehrsbetriebe, die meist nicht von den Beklagten eingetrieben werden können. Menschen, die wegen Schwarzfahrens ins Gefängnis müssen, sind nach Aussagen von Rechtsanwälten und Richtern im wahrsten Sinne des Wortes zahlungsunfähig. Sie werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nach Strafverbüßung wieder schwarzfahren (müssen). – Zumindest eine Herabstufung des Schwarzfahrens von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit wäre sicherlich eine sinnvolle Maßnahme.

 

Dieser Artikel von Stefan Lieb ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 2/2014, erschienen. 

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