„Walking connects“ – Gehen verbindet. Unter diesem Motto stand die Walk21, die 14. Internationale Konferenz „on Walking and Liveable Communities“, die diesmal in Deutschland stattfand.

530 Menschen haben daran teilgenommen, die Hälfte davon aus Deutschland. Zum Vergleich: Auf der ersten Konferenz Walk21 im Jahr 2000 in London waren nur drei deutsche Teilnehmer dabei.

Dank der Unermüdlichkeit des langjährigen Mitgliedes von FUSS e.V., Paul Bickelbacher und vieler anderer engagierter Menschen ist es gelungen, die WALK21 nach München zu holen. Außergewöhnlich dabei war diesmal, dass die Stadt München eingeladen hatte. Der Grund: Sie erhofft sich von dieser Konferenz einen Entwicklungsschub für den Fußverkehr, vergleichbar mit der Wirkung der Konferenz Velocity im Jahr 2007 auf die Zunahme des Radverkehrs.

Breakout-Sessions

Breakout Sessions: An jedem der drei Konferenztage hatte man die Auswahl zwischen 14 Kurzvorträgen mit anschließender Diskussion. Es ging um Schulwege, Fußgängerzählung, Fußwegeachsen, Straßengestaltung und um Carsharing. Es ging auch um die Problematik der vielen Verkehrstoten insbesondere in der 3. Welt und um neue Verkehrsentwicklungsprojekte für die Stadt.

Als Beispiel sei der Vortrag von Miguel Anxo Fernàndez Lores, Bürgermeister von Pontevedra, einer spanischen Stadt mit 65.000 Einwohnern genannt: In Pontevedras Innenstadt hat der Fußverkehr konzeptionellen Vorrang vor allen anderen Verkehrsarten. Es gibt breite, mit Pollern gesicherte Bürgersteige, autofreie Plätze, stark eingeschränktes Parken und natürlich flächendeckend Tempo 30. Mit einer großformatigen Broschüre „Besser zu Fuß“ wird bei der Bevölkerung und wichtigen gesellschaftlichen Institutionen und Vereinen für das Gehen in der Innenstadt geworben. Der Fußgängerplan „metrominuto“ zeigt den Menschen der Stadt, wie kurz die Wege in der Stadt sind. Vom Bahnhof zur Innenstadt sind es 1,2 km, was man in 14 Minuten schaffen kann. Pontevedra hat in diesem Jahr den europäischen Preis für die beste Mobilitätspolitik bekommen. Das Fazit des Bürgermeisters: Nur ein klarer politischer Wille kann derartige fundamentale Veränderungen bewirken, alle müssen von der Notwendigkeit einer entsprechenden Entscheidung überzeugt sein, damit sie an einem Strang ziehen.

Vorträge im Plenum

Diese Vorträge gab es jeweils zu Beginn der Konferenztage für alle Teilnehmer. Dr. Hermann Knoflacher, emeritierter Professor für Verkehrswissenschaften an der TU Wien hat eine – wie immer - sehr kurzweilige Rede gehalten, die den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Hier nämlich, im Kopf, sitzt bei vielen Bürgern, Planern und Politikern ein gefährlicher Virus, das „Auto“, der das Denken, Fühlen und Handeln in hohem Maß beeinflusst. Breite Straßen, langweilige Wohnsiedlungen mit Doppelgaragen, kaum Platz für das Gehen und Verweilen sind für die Städte die Folge. Die hohe Akzeptanz des Platzverbrauches durch das Automobil lässt sich anders schlecht erklären …

Auch der Musiker Jason Roberts aus den USA hat viel Applaus für sein „better block project“ geerntet: Sein Kampf gilt der Ödnis amerikanischer Siedlungen, mit Musik, guten Ideen und vor allem Tatkraft. Leerstehende Läden werden aufgemöbelt und wieder genutzt, es werden Plätze für Spiel und Spaß geschaffen, Fahrbahnen verengt, Seitenräume erweitert und Bäume gepflanzt. Sein Rezept: Ein paar Freunde für eine gemeinsame Aktion zusammentrommeln und mit den Bürgern einfach anpacken. Das geht wohl nur im Land der tausend Möglichkeiten!

Ein weiterer Vortrag des Sportmediziners Martin Halle von der TU München verdeutlichte, wie wichtig die tägliche Bewegung für unsere Gesundheit ist. In einem 30-minütigen Fußweg pro Tag sieht er den Schlüssel für die Prävention gegen sämtliche Zivilisationskrankheiten. Nicht nur der Hund braucht Bewegung, der Mensch auch! Eigenbewegung ist das beste und schonendste Mittel gegen die grassierende Fettleibigkeit mit all ihren Nebeneffekten wie Herzerkrankungen, Diabetes und Depression, und kostenschonend dazu.

Vorstellung von zwei Projekten

Gegen Ende der Plenumsvorträge wurden noch zwei Projekte vorgestellt, die widersprüchlicher nicht sein konnten, ein junger engagierter Architekt und ein junger engagierter Technik-Freak haben referiert.

Der brasilianische Architekt Filipe Balestra hat von seinen Projekten, der Erneuerung verkommener Wohnviertel und Slums in der 3. Welt berichtet, bei dem sehr schonend Haus für Haus erneuert wird, ohne die (fußgängerfreundlichen) vorhandenen Siedlungs- und Sozialstrukturen zu zerstören. Er plant auch in Europa Siedlungen speziell für ärmere Menschen, so z.B. rund um Stockholm, mit guter Anbindung an den ÖPNV.

Der deutsche Technik-Freak, Matthias Greiner, hatte ein ganz anderes Anliegen. Er warb mit Begeisterung für die neueste Apps, z.B. ein Navi für Fußgänger: Nach Eingabe des Ziels laufen virtuell ein paar Pinguine voraus. Eine weitere App: Wenn das smartphone in Richtung bestimmter Gebäude gerichtet wird, erfährt man alles über sie: Wie viele Stockwerke sie haben, wer sie wann erbaut hat usw. Ein weiterer Clou wurde von ihm vorgestellt: Eine Kamera im Brillengestell erspart einem das umständliche Hantieren mit dem Fotoapparat oder dem smartphone …

Wie bei Allem kommt es hier wohl auf das rechte Maß der Nutzung an. Zwischendurch einmal der virtuellen Welt entfliehen, die Wirklichkeit spüren, tut den Menschen gut. „Forget surfing, walk the web“ war die Parole, die Jim Walker, der Gründer und Direktor von Walk21, bereits auf der 1. Konferenz in London im Jahr 2000 herausgegeben hat. Mit „web“ war das kilometerlange Fußwegenetz, die „greenways“ in London gemeint!

Sigi-Sommer-Walk

Neben vielen kleinen „walkshops“ gab es noch einen ganz großen, den einstündigen „Sigi-Sommer-Walk“ Richtung Rathaus. Fast alle Kongressbesucher haben daran teilgenommen. Angeführt wurde diese friedliche Demonstration von einer Blaskapelle und einem Trio auf weißblauen Stelzen in Tracht. Viele Teilnehmer trugen „Transparente“ - aus Sperrholz fabrizierte Füßen - mit Sprüchen wie: „We are the walking people“, „Bänke statt Banken“ und „Zebra statt Jaguar“. Die Laune war gut, auch bei den Autofahrern, die durch diese Massenbewegung quer durch die Stadt in ihrem Fortkommen für kurze Zeit gehindert wurden. Ein Kompliment an die Münchner Polizei und an die Münchnerinnen und Münchner insgesamt!

Zum Abschluss des Kongresses kamen noch einmal Bürgermeister aus aller Welt auf die Bühne und haben nach Aufforderung durch Jim Walker die „Internationale Charta für das Gehen“ unterschrieben. Danach wurde der Veranstaltungsort für die nächste Walk21 im Jahr 2014 bekannt gegeben: Sydney. Alle Teilnehmer sind herzlich eingeladen, im nächsten Jahr wieder dabei zu sein.

Es sei allen gedankt, die an dieser Veranstaltung mitgewirkt haben, den Organisatoren, den Sponsoren und vor allem Hep Monatzeder, dem Bürgermeister der Stadt München, der mit seiner ständigen Anwesenheit diesen Kongress auf eine politisch wahrnehmbare Ebene gehoben hat. Besonderer Dank gilt auch Frau Prof. Dr. Elisabeth Merk, Leiterin des Referates für Stadtplanung und Bauordnung, für ihren engagierten Vortrag. Wir wünschen ihr nun mehr Rückenwind bei ihren weiteren Bemühungen um eine fußgängerfreundliche Gestaltung der Stadt München.

„Walking connects!“ Der starke Zulauf und die gute Stimmung auf der Walk21 in München lassen hoffen, dass wir auf dem Weg zu „lebenswerten Kommunen“ ein Stückchen weitergekommen sind, mit dem Fuß im Kopf, versteht sich!

Walk21-Präsentationen

 

Dieser Artikel von Angelika Schlansky ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 4/2013, erschienen. 

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