Mit dem demographischen Wandel verändern sich in vielen Städten und Gemeinden auch die Bedürfnisse der Einwohnerinnen und Einwohner. Wie alternsfreundlich sind unsere Städte derzeit? Was wünschen sich ältere Menschen von ihrer Stadt? Welche Probleme bestehen bei der Nutzung des Stadtraumes und des öffentlichen Personennahverkehrs? Welche Lösungsmöglichkeiten und guten Beispiele gibt es bereits?

Diesen Fragestellungen widmete sich die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) in einer umfangreichen anonymen Befragung, in der ältere Menschen um ihre persönliche Einschätzung gebeten wurden.

Die Befragung

Der sechsseitige Fragebogen konzentrierte sich auf die Themenfelder a) Wohnumfeld und öffentlicher Raum, b) Mobilität und Verkehr und c) soziales und kulturelles Leben. Zusätzlich wurden soziodemographische Daten erhoben. Der Fragebogen konnte zwischen Juni und Dezember 2011 entweder in der BAGSO-Geschäftsstelle angefordert, ausgefüllt und zurückgesandt oder aber unmittelbar in Form eines online-Fragebogens auf der Homepage der BAGSO beantwortet werden.

Knapp 2.000 ältere Menschen haben sich an der Befragung beteiligt, drei Viertel nutzten den Papierfragebogen und ein Viertel die Online-Version. Das Durchschnittsalter aller Befragten liegt bei 71 Jahren: 40% sind jünger als 70 Jahre, gut 40% sind zwischen 70 und 79 Jahre und knapp 20% sind 80 Jahre älter.

Außerhäusliche Mobilität

Außerhäusliche Mobilität ist die Voraussetzung für eine selbstbestimmte Lebensführung und für gesellschaftliche Teilhabe auch im Alter. Sie ermöglicht soziale Kontakte, ist ein wertvoller Beitrag zur Gesunderhaltung und Prävention, sie fördert das Erleben der natürlichen und gebauten Umwelt und kann der Identifikation mit dem Wohnviertel und der Stadt dienen. Doch wie sieht es mit der außerhäuslichen Mobilität der Befragten aus?

Die große Mehrheit (85%) bewegt sich täglich außerhalb der Wohnung zu Fuß, weitere 8% zumindest ein- bis mehrmals pro Woche. Das Auto wird von 41% der Befragten als Selbstfahrer täglich benutzt, 20% nutzen es wöchentlich, 9% seltener und fast ein Drittel (30%) nie. 8% sind aber täglich und 22% wöchentlich Mitfahrer in einem Auto. Während 28% täglich und 19% wöchentlich Fahrrad fahren, nutzen dies 15% nur selten und 38% nie. Öffentliche Nahverkehrsmittel werden von 19% täglich, 23% wöchentlich, 47% selten und 10% nie verwendet. Der Bahnfernverkehr wird nur von einer Minderheit täglich oder wöchentlich genutzt; 70% nutzt ihn aber zumindest ab und zu. Taxen werden noch seltener in Anspruch genommen.

Körperliche Einschränkungen und Mobilitätshilfen

Die Mehrheit der Befragten ist nicht oder nur kaum körperlich eingeschränkt. Immerhin jeder Fünfte berichtet jedoch über starke Probleme beim Gehen oder Bücken, so dass von dieser Gruppe angenommen werden kann, dass sie in ihrer Mobilität beeinträchtigt ist. Insgesamt gibt mehr als die Hälfte der Befragten an, (leichte oder starke) Probleme beim Gehen oder Bücken zu haben, 43% nennt (leichte oder starke) Sehprobleme und 39% (leichte oder starke) Hörprobleme. Jeder Dritte berichtet von Problemen in der Fingerfertigkeit, was z.B. das Greifen oder das Bedienen von Automaten erschweren kann. Diese körperlichen Einschränkungen haben mehr oder weniger starke Auswirkungen auf die Teilnahme am Verkehrsgeschehen und öffentlichen Leben.

Um gewisse Mobilitätseinschränkungen zu kompensieren, greifen 26% der Befragten auf eine oder mehrere Arten von Mobilitätshilfen zurück: 14% aller Befragten nutzt einen Gehstock, 11% - also gut jeder Zehnte - einen Rollator, 3% einen Rollstuhl und 5% nutzt persönliche Begleitung. Rollatoren werden im Stadtbild und in Bus und Bahnen in der Tat immer sichtbarer. Was vor Jahren bei vielen Älteren noch verpönt war, ist inzwischen gesellschaftsfähig geworden: die Zahl der als Hilfsmittel verordneten sowie frei verkauften Rollatoren steigt von Jahr zu Jahr. Sie ermöglichen mobilitätseingeschränkten Personen eine bessere Teilnahme am öffentlichen Leben, stellen aber zugleich auch besondere Anforderungen an die Stadt- und Verkehrsplanung.

Barrieren im Stadtraum

Doch wie ist die städtische Umwelt auf die Bedürfnisse älterer Menschen eingestellt? Welche Probleme benennen die Befragten und welche Barrieren schränken ihre außerhäuslichen Aktivitäten ein?

Im Bereich Umgebung und Plätze sind es vor allem die fehlenden öffentlichen Toiletten, die fast drei Viertel der Befragten bei Aktivitäten außer Haus stören. Zu wenige Sitzgelegenheiten stören 57%. 43% der Befragten moniert ungepflegte Grünanlagen, Straßen und Plätze und 41% stört sich unterwegs an „unangenehmen Leuten“, d.h. rücksichtslosen oder Angst einflößenden Personen. Fehlende behindertengerechte Toiletten stören 39%, jeder Vierte bemängelt eine nicht ausreichend helle Straßenbeleuchtung.

Dabei stören sich Frauen deutlich häufiger an einer zu dunklen Straßenbeleuchtung als Männer. Frauen bemängeln ebenfalls häufiger fehlende Sitzgelegenheiten und öffentliche Toiletten. Personen, die Probleme beim Gehen und Bücken angeben, sind von fehlenden Sitzgelegenheiten und fehlenden behindertengerechten Toiletten stärker betroffen.

Die genannten Hindernisse schränken die Befragten in unterschiedlichem Maße in ihren außerhäuslichen Aktivitäten ein. Zu wenig Sitzgelegenheiten und zu wenig bzw. nicht behindertengerechte Toiletten stören ebenso wie „unangenehme Leute“ vor allem beim Einkauf und beim Spaziergang.

Barrieren im Bereich Mobilität

Das rücksichtslose Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer wird besonders häufig als Problem im Bereich Mobilität benannt. 70% der Befragten stören auf den Gehwegen fahrende Radfahrerinnen und Radfahrer und 60% der Befragten fühlen sich durch auf Fuß- oder Radwegen parkende Pkws stark beeinträchtigt. 44% der Befragten ärgern sich über zu kurze Ampelphasen für Fußgänger und ein gutes Drittel (34%) über mangelnde nahe gelegene Parkplätze.

Im ÖPNV beklagen 59% der Befragten zu komplizierte Fahrkartenautomaten. 27% stört, dass die öffentlichen Verkehrsmittel zu selten fahren. Von mangelnder Sicherheit in den öffentlichen Verkehrsmitteln fühlen sich 20% beeinträchtigt und zu weit entfernte Haltestellen beklagen immerhin noch 16% der Befragten.

Die genannten Barrieren im Bereich Mobilität stören die Befragten vor allem beim Einkaufen und Spazierengehen. Arztbesuche werden durch fehlende nahe gelegene Parkplätze, zu weit entfernte Haltestellen oder generell zu schlechte ÖPNV-Anbindung erschwert. Letzteres schränkt auch kulturelle Aktivitäten ein; wobei hier noch erschwerend hinzukommt, dass sich viele Befragte (v.a. abends) in öffentlichen Verkehrsmitteln unsicher fühlen.

Das Gefühl von Unsicherheit

Sich außerhalb der eigenen Wohnung nicht sicher zu fühlen kann seine Ursache z.B. in der Angst vor Kriminalität haben, aber auch in der Sorge, zu stolpern oder zu stürzen bzw. sich nicht ausreichend gut orientieren zu können. Während sich tagsüber nur 13% außerhalb der Wohnung (eher oder sehr) unsicher fühlt, fühlen sich im Dunkeln 29% eher unsicher und weitere 28% sogar sehr unsicher. Mit zunehmendem Alter und zunehmenden körperlichen Einschränkungen nimmt das Gefühl der Unsicherheit zu. Vor allem ältere Frauen fühlen sich hierdurch in ihren abendlichen Aktivitäten eingeschränkt.

Alternsfreundliche Stadt -Eine Stadt für alle Lebensalter

Die älteren Menschen wurden auch nach bereits wahrgenommenen Verbesserungen im Sinne von einer stärkeren Alternsfreundlichkeit in ihrer Wohnumgebung und Stadt gefragt. Hier zeigt sich, dass mancherorts bereits große Anstrengungen unternommen werden. Kernelemente einer alternsfreundlichen Stadt sind demnach:

  • Quartiersentwicklung im Sinne einer „Stadt der kurzen Wege“, in der altersgerechte Wohnformen, Nahversorgung, gesundheitsbezogene Dienstleistungen, Begegnungsmöglichkeiten, Serviceangebote wie Begleitservice oder Lieferdienste vorgehalten werden und erreichbar sind.
  • Barrierefreie Zugänglichkeit zu öffentlichen Gebäuden
  • Barrierearmer Fuß- und (getrennter) Radverkehr, längere Ampelphasen, Überquerungshilfen
  • Attraktive öffentliche Freiräume, intelligente Wegeplanung mit ausreichend Sitzgelegenheiten, Beleuchtung und öffentlich zugänglichen Toiletten
  • ÖPNV: Niederflurwägen, sprechende Straßenbahnen, Mobil-Lotsen, Begleitservice
  • Schaffung einer Kultur des Miteinanders und der Rücksichtnahme
  • Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten der älteren Bürger.

Dies verdeutlicht, dass auf dem Weg zu einer alternsfreundlichen Stadt nicht nur technische und bauliche Maßnahmen notwendig sind, sondern auch vielfältige organisatorische und gesellschaftspolitische Anstrengungen unternommen werden müssen. Das Ziel einer „präventiven Umweltgestaltung“, mit der bestehende Barrieren abgebaut, zu Aktivitäten ermuntert und Teilhabe ermöglicht wird, kann nur mit einer sektorübergreifenden Planung und Zusammenarbeit erreicht werden. Denn eine alternsfreundliche Stadt ist keineswegs eine Stadt ausschließlich für alte Leute, sondern eine Stadt, die für alle Generationen attraktiv ist.

In Kürze

Die BAGSO befasste sich in einer Befragung mit den Erfahrungen älterer Menschen mit ihrer städtischen Umwelt. Es werden zahlreiche Barrieren im Stadtraum und im Bereich Mobilität benannt, die die außerhäusliche Mobilität der älteren Befragten einschränken. Zugleich werden bereits Ver-besserungen im Sinne einer alternsfreundlichen Stadt wahrgenommen.

Quelle:

Der ausführliche Bericht zur BAGSO-Befragung „Alternsfreundliche Stadt“ kann auf der Homepage www.bagso.de heruntergeladen werden.

 

Dieser Artikel von Dr. Claudia Kaiser ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 3/2012,erschienen.  

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